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Zeichen sind genug.


Im Vorbeigehen


Ihr Arbeitsweg führt sie von ihrer Wohnung, die sich etwas abseits in einem frei stehenden Riegelhaus am Stadtrand befindet, durch neu erbaute Siedlungen bis zum Vorortbahnhof. Dort besteigt sie die S-Bahn und erreicht in kurzer Zeit das Zentrum der Stadt, wo sie seit wenigen Wochen in einem Café als Serviceangestellte arbeitet.

Zuvor hatte Susanne in einem alt eingesessenen Modegeschäft eine Ausbildung zur Verkäuferin gemacht und nach dem erfolgreichen Abschluss gleich einen Arbeitsvertrag erhalten. Sie schätze ihre Zuverlässigkeit und ihr Fachwissen, so die Inhaberin. 

Susanne fuhr fort, Tag für Tag in den Laden zu gehen und zu warten. Sie wartete auf Kundinnen, auf den Regen und die Sonne, auf die Mittagspause und den Feierabend. Sie wartete auf den Lohn, Neuigkeiten von ihrer Familie und auf Marek, wenn er sie abholte. Susanne betrachtete Warten als einen Bestandteil ihrer Arbeit, für den sie bezahlt wurde und dem sie sich mit Ernsthaftigkeit hingab. Bei den Kundinnen, die regelmässig, wenn auch nur alle paar Monate einkauften, war Susanne beliebt. Während sie Kleid um Kleid anprobierten, erzählten sie ihr von Kummer und Freude. War Susanne anschliessend wieder alleine, stellte sie sich mitten in den leeren Verkaufsraum und blickte durchs Fenster auf die Strasse. Sie lauschte den Fäden, die haften geblieben waren, sich kreuz und quer spannten und zu neuen Stoffen verwoben, bis andere Kundinnen kamen. Das konnte dauern.